„Denn ich weiß, was für Gedanken ich über euch habe, spricht der Herr, Gedanken des Friedens und nicht des Unheils, um euch eine Zukunft und eine Hoffnung zu geben.“ Jeremia 29.11
Es war ein gewöhnlicher Mittwoch, an dem es viel zu tun gab. Es hat viel geregnet wie auch schon die Tage zuvor. Nur hatte der Regen an diesem Tag gebietsweise immer mehr zugenommen und gerade im Ahrtal wurde dies in der darauffolgenden Nacht zur Tragödie. Ich hatte gerade zu der Zeit eine Baustelle nicht weit davon entfernt. Doch ich ahnte nicht, dass die darauffolgende Nacht für viele ein großes Unglück oder sogar den Tod bedeuten würde. Am Donnerstag hörte ich aus den Nachrichten, dass das Ahrtal überschwemmt, viele Menschen bei dem Unglück ertrunken und viele Häuser zerstört und weggerissen worden seien. Durch meine eigene Arbeit, viele Sorgen und den oft selbst produzierte Stress ließen mich die Geschehnisse damals ehrlich gesagt kalt. Es passiert ja so vieles in der Welt, dass ich ganz normal weiter machte ohne den Ereignissen weiter Beachtung zu schenken.
Der Freitag kam und ich arbeitete wieder in der Nähe des Flutgebietes. Dort hörte und sah ich Sirenen und in dem Moment verstanden ich, dass irgendetwas ist passiert sein muss.
An dem Tag bekam ich einige Anrufe. Es kam bei vielen die Frage auf, ob wir als Gemeinde im Ahrtal helfen sollen.
Helfen? Wir? Hier vor der eigenen Tür? Ich habe es nicht zusammenbringen können. Was sollen wir machen und warum wir?
Nachmittags fuhr ich nach Hause und habe mich darüber geärgert, dass ich nicht wie gewöhnlich durch die Straßen kam. Überall waren massenhaft Sperrungen, Polizisten, Feuerwehr und Leute vom THW. Fehlende Straßen, panische Gesichter und Menschen, die von unten bis oben voller Schlamm waren, brachten mich schließlich zum nachdenken.
Ich fuhr nach Hause, holte meine Stiefel und machte mich wieder auf den Weg in das Flutgebiet. In Sinzig stellte ich mein Auto ab und lief einfach planlos durch die Straßen. In den Häusern fehlten fast überall die Fenster und Türen, Häuser waren voller Schlamm, Menschen warfen ihren komplett schlammigen Haushalt aus den Häusern und Brücken waren eingestürzt oder ganz weggeschwemmt worden. Ich lief durch die Straßen und merkte, dass der Schlamm mir sogar von oben in die Stiefel reinlief. Die Szenen, die ich sah, waren furchtbar. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. Langsam fing ich an zu verstehen, dass vor unserer Haustür tatsächlich etwas schlimmes passiert war. Ich sah wie sich ein altes Ehepaar abmühte und fragte, ob sie Hilfe bräuchten. Mit großen Augen schaute mich diese Frau an und sagte: „JA“. Die Frage war eigentlich überflüssig. Bei solch einer Katastrophe stellen sich viele Menschen, auch Christen, die Frage, ob es wirklich Gedanken des Frieden sind, die Gott über uns hat.
Wir riefen die Gemeinde am Freitag Abend, den 16.07, zum Helfen auf. Am Samstag kamen auch tatsächlich viele zusammen und wir fuhren nach Sinzig. Der Anhänger war bepackt mit Schaufeln, Eimern und später auch Schubkarren und verschiedenen Werkzeugen, die wir uns nach und nach zugelegt haben. Seit dem fuhren wir tagtäglich ins Ahrtal und halfen, wo wir konnten.
Ich lernte in dieser Zeit viele verschiedene Menschen kennen. Für jede Begegnung bin ich Gott dankbar. Er hat mir jeden Tag aufs Neue gezeigt, dass er für uns sorgen kann. Vieles klappte auf Anhieb. Kam ein Problem auf, so kam aus heiterem Himmel zum Beispiel der lösende Anruf. Unbekannte riefen mich an und wollten helfen die Probleme zu lösen. Es hat so viele Wunder gegeben. Am Ende eines jeden Tages konnte ich unserem himmlischen Vater von Herzen danken, dass Er Gelingen geschenkt hat.
Wir haben in drei Seniorenheimen helfen dürfen, in denen wir auch schon zu einem Dank-Gottesdienst eingeladen worden sind.
Viele Privathäuser wurden vom Schlamm befreit, Putz und Estrich wurden abgeschlagen und viele der Häuser wurden auch bereits gesäubert.
Wir helfen außerdem in drei Küchen aus. In der Küche in Walportsheim arbeiten wir in einem Schichtsystem von je 4 Helfern, die morgens und 4, die nachmittags anfangen.
Vor kurzem haben wir auch angefangen Waschmaschinen und Kühlschränke zu verteilen, was von den Menschen ebenfalls mit Freunden angenommen wird.
Seit drei Wochen gehen wir zudem durch die Straßen und singen am Sonntagabend geistliche Lieder, verteilen Bibeln und versuchen hier und da ein Gespräch zu führen.
Ich persönlich habe in Deutschland dem Wort Gottes gegenüber noch nie so eine Offenheit erlebt. Mit diesem Blick auf die Situation sind es vielleicht doch Gedanken des Friedens, die Gott über uns hat.
Autor: Rudi Dircksen
Bild: Rudi Dircksen mit seiner Frau Katja
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