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AutorenbildAntje

Hebammen im Slum - Uganda

Hi, ich bin Daniela und darf euch ein bisschen von meinem Kurzeinsatz in Uganda erzählen.

Fangen wir mal ganz vorne an: Wie bin ich überhaupt dazu gekommen?

Nun, ich war fast fertig mit meiner Ausbildung zur Hebamme und meine Mitauszubildende und gute Freundin Jana kam auf die Idee nach der Ausbildung für einen Monat einen Einsatz im Ausland zu machen. Wir fingen also an zu suchen und konnten schließlich über Kontakte meines Vater, der für einige Jahre Missionar in Kenia war, die Hebamme Diane finden.

Diane, die ebenfalls eine Christin ist, war ganz unkompliziert und meinte relativ schnell: „Schreibt mir, wenn ihr die Flüge gebucht habt, dann plane ich euch ein.“ Unser Abenteuer begann…

Wir konnten uns herzlich wenig darunter vorstellen und waren viel zu beschäftigt mit unseren Examensvorbereitungen und Prüfungen, um uns groß vorzubereiten. Am 16.September 2021 hielten wir dann plötzlich unsere Urkunden mit der Bezeichnung „Hebamme“ in der Hand und hatten ein Wochenende Zeit bevor unser Flug nach Entebbe, Uganda ging.


Bild von links: Jana und ich (Daniela)


Am 21.September sind wir dann von meinem Papa zum Flughafen gebracht worden und es ging so richtig los. Nach fast 24 Stunden kamen wir müde und kaputt in Entebbe an und wurden von Diane abgeholt. Bevor wir wussten wie uns geschah, waren wir mit ihr zusammen bei einer hochschwangeren Missionarin aus Amerika zuhause für eine kurze Schwangerschaftsvorsorge. Dort kam dann schon direkt der erste Anruf aus der Klinik: eine Frau soll jeden Moment gebären. Verschwitzt und müde vom Flug kamen wir dann eine Stunde später im Amani Family Center an. Dort bekam eine Frau gerade ihr 2. Kind. Leider klappte das nicht so wie gedacht und Diane meinte: „Daniela, wir müssen sie ins Krankenhaus verlegen.“

„Okay, soll ich das Auto vorbereiten?“

„Nein, mit dem Auto kommen wir bei diesem Verkehr niemals rechtzeitig durch. Hohl ein Boda Boda (Motorradtaxi)“

Ich dachte, ich hätte nicht richtig gehört, aber tatsächlich saß die Frau mit ihren Wehen kurze Zeit später hinten auf dem Motorrad und wir winkten ihr hinterher und beteten, dass sie das Kind nicht unterwegs auf dem Motorrad bekam.

Danach ging es dann zu Diane nach Hause, wo wir für die Zeit wohnen durften. Unterwegs haben wir uns noch schnell Pizza geholt, weil keiner mehr Lust hatte was zu kochen.

Okay, ihr seid jetzt vermutlich ähnlich verwirrt wie ich es an dem Abend war. Aber ich will versuchen euch einen Überblick zu geben:

Diane, ein wundervoller Mensch und eine tolle Hebamme, hat vor etwa 6 Jahren das Amani Family Center gegründet. Sie kommt aus Irland und hat dort als Hebamme gearbeitet. Amani liegt in Namuwongo, einem Stadtteil von Kampala (Ugandas Hauptstadt). Das ist eines der größten Slums in Uganda. Geschätzt werden über 30.000 Personen, die dort auf engsten Raum zusammen leben. Kein fließendes Wasser oder Strom. Toiletten teilen sich mehrere Familien und bei Regen werden viele Hütten vom Sumpf aus mit Wasser geflutet. So wie man das vielleicht mal in Dokus gesehen hat, aber das hier ist echt. Die Kriminalität ist unglaublich hoch, häusliche Gewalt oft die Regel und eine so hohe Kindersterblichkeit dürfte es heutzutage eigentlich nicht mehr geben. Ungefähr jede 5. der Frauen, die wir betreut haben, war HIV positiv. Die Frauen, die zu uns kamen waren teilweise Prostituierte, bei anderen war der Mann untreu und die Frauen wussten das meistens auch. Das führte dazu, dass die Frauen teilweise zu Beginn der Schwangerschaft HIV negativ waren und während der Schwangerschaft positiv geworden sind. Und unter diesen Menschen durften wir arbeiten. Die meisten Menschen in Uganda würden sagen, dass sie Christen sind. Überall hört man: „God bless you! God give you everything you want!“ Leider war das oft alles was das Christentum ausmachte. Wenn du Christ bist, wirst du reich. Wenn du krank wirst, hast du nicht genug gebetet und wenn dein Kind stirbt, hast du nicht genug geglaubt. Ich habe selten so viel verdrehtes Christentum auf einmal gesehen. Auf dem Markt wurden wir von einem Mann angeschrien und ich dachte, er würde uns aufs Übelste beschimpfen bis ich verstanden habe, dass er mir den Psalm 23 an den Kopf geschrien hat. Neben der Klinik hat jeden Tag von 4 bis 6 Uhr morgens ein Mann „gebetet“. Er hat zwei Stunden am Stück in einer Lautstärke geschrien, dass wir dachten, er stände auf unserem kleinen Gelände. Man hat keine Worte verstanden und ich kann mir nicht vorstellen, dass Jesus sich darüber gefreut hat, zwei Stunden lang von jemandem wortwörtlich angeschrien zu werden. Die Kernbotschaft des Evangeliums, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist, uns zu neuen Menschen und seinen Jüngern machen möchte und wir mit ihm eine persönliche Beziehung haben dürfen, habe ich dort leider nur sehr selten gehört.


Bild: Slum Namuwongo


Bild: unterwegs auf den „Boda Boda


Bild: Vor dem Amani Family Center


Das Amani Family Center ist ein „Birth Center“ (Geburtshaus). Das heißt, dass wir Schwangerschaftsvorsorgen gemacht haben und die Frauen, wenn es normale Schwangerschaften waren, bei uns gebären durften. Für Kaiserschnitte sind die Frauen in eines der staatlichen Krankenhäuser gegangen. Dann gab es auch ein paar allgemeine Untersuchungsangebote für andere Erkrankungen und einmal im Monat einen Impf-Tag für die Kinder und Schwangeren.

Das Team, angeleitet von Diane, besteht aus einheimischen Mitarbeitern: Rebecca und Elsie, die auch beide Hebammen sind, Martha, die für Organisation und Betreuung der HIV positiven Mütter zuständig ist, und George unser Laborant. Zudem hat Jennifer, eine Mutter aus dem Slum, zwei Mal in der Woche bei uns geputzt und kleinere Erledigungen gemacht.

Unser Arbeitstag bestand aus Schwangerenvorsorgen und dann Geburten, wenn gerade eine Frau mit Wehen da war. Wenn nachts eine Frau losgelegt hat, wurde Diane angerufen und sie hat uns dann aus dem Bett geschmissen und los ging‘s. Es war eine wunderschöne Arbeit mit den Frauen aus dem Slum. Viele hatten bei vorausgegangenen Geburten in den staatlichen Krankenhäusern schlechte Erfahrungen gemacht und kamen regelrecht eingeschüchtert zu uns. Wir haben viel Wert darauf gelegt ihnen mit Liebe und Respekt zu begegnen und sie spüren zu lassen, dass wir Gottes Liebe zu uns an sie weitergeben möchten. Die Frauen sind oft richtig aufgetaut, während sie bei uns in der Geburtsbetreuung waren und sind später oft noch vorbei gekommen um „Hallo“ zu sagen und uns ihr Baby nochmal zu zeigen.


Bild: Das Team von Amani bei einer Babyparty für die Hebamme Rebecca


Bild: Babys aus der Klinik

Bild: Diane bei einer Gebärenden


Bild: unser Kreißsaal


Würde ich von allen Erlebnissen, die ich in diesem viel zu schnell vergangenen Monat gemacht habe erzählen, würde dieser Bericht ewig weitergehen. Doch ein paar Geschichten möchte ich euch trotzdem gerne erzählen:


Baby Miracle Friday

Einen Monat bevor wir nach Uganda gekommen sind, wurde dieses kleine Mädchen in Amani geboren. Am nächsten Tag wurde sie direkt aus ihrem Zuhause gekidnappt. Diane ist mit der Polizei vier Tage lang durch Kampala gefahren und schlussendlich konnten sie die Kleine wiederfinden. Die Frau, die sie entführt hat, hat mit der Polizei einen Treffpunkt ausgemacht und das Baby dort abgelegt. Sie ist bis heute auf freiem Fuß und die Polizei hat die Suche aufgegeben. Dem Baby geht es, Gott sei Dank, gut. Keiner weiß genau warum dieses Baby gekidnappt wurde, aber die Polizei hat herausgefunden, dass sie in einen Teil von Uganda verkauft werden sollte, in dem immer noch Menschenopfer (illegal natürlich) durchgeführt werden. Die meisten Kinder im Slum tragen Ohrringe, weil sie dadurch für die Opferungen nicht mehr so viel wert sind und die Eltern Angst haben, dass ihr Kind gekidnappt werden könnte.


Bild: Baby Miracle Friday


Baby Chairman

Wir durften den Chairman (ähnlich wie Bürgermeister oder Vorsitzender) von unserem Teil vom Slum kennenlernen. Er erzählte uns eine schreckliche Geschichte.

Er hatte fünf Kinder. Vor einem Jahr wurde, im Zuge einer Racheaktion von anderen Leuten aus dem Slum, seine 4-jährige Tochter entführt und einige Tage später furchtbar entstellt und tot mitten auf einer der Straßen in dem Gebiet gefunden. Wisst ihr, was er uns gesagt hat: „Ich weiß nicht warum Gott das zugelassen hat, aber ich will ihm vertrauen, dass er es gut mit mir und meiner Familie meint. Ich will weiter für ihn arbeiten und mich nicht unterkriegen lassen.“ Dieser Mann sieht die Mörder seiner Tochter jeden Tag und bleibt trotzdem fest in seinem Glauben und Vertrauen auf Gott. Er hat versucht Anzeige gegen diese Männer zu erstatten, aber die Beweise sind auf „unerklärliche Weise“ alle verschwunden.


Bild: mit dem Chairman und seiner Frau


Abtreibungen

Abtreibungen sind in Uganda verboten. Das hindert die „Drug Stores“ (ähnlich wie Apotheke) aber nicht daran die Medikamente trotzdem zu verkaufen. Allerdings werden den Frauen falsche Informationen weitergegeben. Das führte dazu, dass ein junges Mädchen an einem Tag halbverblutet bei uns in die KliniK gekommen ist und Hilfe gesucht hat. Ihr wurden die falschen Medikamente gegeben, sodass die Schwangerschaft zwar beendet war, sie aber unkontrolliert seit zwei Tagen am bluten war. Eine andere Frau hat versucht ihr Kind etwa in der 33. Schwangerschaftswoche abzutreiben (insgesamt gibt es 40 Schwangerschaftswochen). Als es bei der Geburt dann noch lebte, hat sie es hinter eine Mauer gelegt und ist weggegangen. Als Helfer das Baby fanden und zu Diane brachten, war die kleine Briella zwar kalt, aber noch am Leben. Im Krankenhaus, in das sie gebracht wurde, ist sie dann leider trotzdem mit fast zwei Wochen verstorben.


Touch the Slum

Touch the Slum“ ist eine Organisation, die Teenagern aus dem Slum hilft. Wir durften zwei Tage bei ihnen verbringen und ihre Arbeit kennenlernen. Sie arbeiten vor allem mit schwangeren Teenagerinnen. Die Mädels haben dort die Möglichkeit eine Friseur- oder Schneiderausbildung zu absolvieren und bekommen dann ein Startkapital mit dem sie ihr eigenes kleines Business aufbauen können. Samstags haben sie dort auch immer Jugendgottesdienste für die Jugendlichen aus dem Slum.

Wisst ihr was das Verrückte ist? Ich habe in diesem Monat mehr gelacht als in sonst einer Zeit in meinem Leben. Paradox, oder? Umgeben vom Leid und von Tragödien. Aber den Leuten dort sieht man das nicht an. Sie lächeln dir zu, machen Späße und unterhalten sich mit dir als wäre alles perfekt. Erst wenn man sich länger mit ihnen unterhält, erzählen sie einem von dem Schweren, das sie in ihrem Leben durchgemacht haben. Aber auf den ersten Blick, vergisst man manchmal, dass diese Menschen oft eine schlimme Vergangenheit haben oder auch zur Zeit in schwierigen Umständen leben.

Bei „Touch the Slum“ haben wir mit den Mädels gekocht, Ball gespielt und sie haben uns im Gegenzug versucht einen ihrer Tänze beizubringen. Wir hatten unglaublich viel Spaß. Erst als wir uns länger unterhalten haben, kam heraus, dass einige von ihnen vergewaltigt worden waren. Andere wurden vom Freund verlassen und wären jetzt obdachlos, wenn "Touch the Slum“ ihnen nicht ein Dach über dem Kopf zur Verfügung gestellt hätte. Und wieder andere hätten bei ihren Geburten schreckliche Erfahrungen in den staatlichen Krankenhäusern gemacht.


Bild: Haare flechten mit den Muttis bei „Touch the Slum


Bild: “Touch the Slum


Apac

Ein ganz besonderes Wochenende haben wir in Apac, im Norden Ugandas, verbracht. Bei Jennifers Familie (eine Mutti aus dem Slum) auf dem Hof im tiefsten Busch. Es war so anders! Kein fließendes Wasser, kein Strom, nur Lehmhütten und Strohdächer. In Kampala bei Diane zuhause war es nicht viel anders als in Deutschland, aber Apac war heftig. Wir haben auf dem Boden sitzend mit unseren Händen gegessen. Die Toilette war ein fliegenübersätes Loch im Boden in einer kleinen Lehmhütte ohne Tür. Man hat dann halt gehofft, dass sonst keiner vorbei kommt. Um 19 Uhr war es schlagartig dunkel und man konnte die Sterne sehen. Milchstraße, Venus, Saturn und Jupiter - kein Problem. Jedes mal, wenn man hoch geschaut hat, war es immer von Neuem schön. Nach einem Abendessen bei Taschenlampenlicht ging es dann um 21 Uhr zeitig ins Bett.

Was will man auch sonst machen, wenn alles dunkel ist? Geschlafen haben wir in einer Lehmhütte. Jana und ich, Jennifer und ihre 2-jährige Tochter Sarah. Auf zwei Matratzen, denn mehr passten in diese kleine Hütte auch nicht rein. Im Dunkeln stellten wir dann noch fest, dass unsere Mitbewohner in dieser Hütte neben unzähligen Spinnen ein Huhn mit drei Küken und eine brütende Ente waren. In der zweiten Nacht hat es stark geregnet und unser Dach war stellenweise undicht. Wir haben alle Sachen nach rechts geräumt. Als es da dann auch undicht wurde, haben wir einfach alles in die Mitte gestapelt. Nachdem es dann endlich nicht mehr gestürmt hat, haben wir wieder alles an die Seiten neben die Matratzen gestellt, soweit das möglich war und sind eingeschlafen. Kaum schliefen wir, klopfte es an der Tür: eine andere Hütte hatte dem Sturm noch schlechter standgehalten. So kam es, dass eine weitere Frau und ihr Baby mit in unsere kleine Hütte gezogen sind. Die Familie, bei der wir gewohnt haben, war unglaublich freundlich und herzlich. Ich wäre am liebsten dort geblieben! Wir haben dort zwei Treffen mit den Schwangeren aus der Umgebung organisiert, ihnen vom Verhalten in Schwangerschaft und im Wochenbett erzählt und kurz Mutter und Herzschlag vom Baby untersucht. Die Frauen waren unglaublich dankbar und selbst das Ausrechnen vom Entbindungstermin versetzte einige von ihnen regelrecht ins Staunen.


Bild: der Hof, auf dem wir wohnen durften


Bild: die Kinder auf dem Hof


Bild: als Überraschung gab es für jede Schwangere ein „Mammakit“ (Packet, das die mit ins Krankenhaus nehmen).


Bild: Treffen mit der Verwandtschaft von Jennifer


Werbung für Uganda

Falls jemand noch ein Land zum Urlaub machen sucht: Uganda ist wunderschön!

Mit uns zusammen war auch Svea, eine liebe Hebammenstudentin aus Fulda bei Diane. Mit ihr haben wir ebenfalls viel Zeit verbracht. In der Woche waren wir in der KliniK und am Wochenende haben wir uns das schöne Land angeschaut.

Wir haben eine beeindruckende Safari gemacht und durften Löwen, Leoparden, Giraffen, Büffel, Antilopen, Nilpferde, Krokodile und vieles mehr sehen. Unglaublich wie wunderschön Gott diese Welt geschaffen hat!



Ein Wochenende waren wir in Jinja. Dort ist der Startpunkt des Nils. (Unspektakulärer als es sich anhört…) Aber wir haben ein bisschen Touristenleben genossen, sind Quad gefahren und auf Gummiringen (Tubing) durch die Stromschnellen des Nils gerauscht - Adrenalin pur!



Bilder: Tubing auf dem Nil


Bild: Quadtour am Nil

Fazit

Dieser eine Monat hat mich verändert und mir auf vielerlei Weise die Augen geöffnet. Zu erkennen, dass Menschen so anders Leben als wir es gewohnt sind, zu sehen, wie viel Gottvertrauen manche Menschen haben, sehen zu dürfen wie wundervoll Gott die Natur geschaffen hat, wissen zu dürfen, dass ich in jedem Moment zu meinem Gott beten darf, voller Gewissheit, dass er mich hört und nichts passieren wird ohne das er es weiß - das hat mich dankbar werden lassen.

Danke fürs Durchlesen. Ich hoffe, ihr habt einen kleinen Einblick in meinen verrückten Monat bekommen und habt vielleicht selber Lust bekommen so etwas hautnah mitzuerleben. Ich kann es euch nur empfehlen! Gott arbeitet an uns, wenn wir uns von ihm gebrauchen lassen, egal wie das aussehen mag. Ob in Deutschland oder im Slum von Kampala.


Bild von links nach rechts: Jana, Diane, Svea, ich (unsere WG in Kampala)

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